Feier zum 150- jährigen Bestehen des SPD Ortsvereins Husum

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Husumer Bürgerinnen und Bürger, liebe Gäste. Ich freue mich, dass Sie und ihr hier so zahlreich erschienen seid, um unser Jubiläum mit uns zu begehen.

150 Jahre SPD in Husum. Anlass für uns, uns etwas Zeit für einen kleinen Rückblick auf die Entwicklung dieser politischen Gruppe von der Gründung bis zu den Anfängen unserer jetzigen Demokratie zu nehmen. Auch wenn August Bebel uns einst gemahnt hat, wir sollen keinen Personenkult betreiben, wird es nur schwer möglich sein, die Geschichte der SPD in dieser Stadt Revue passieren zu lassen, ohne nicht den Einen oder Anderen namentlich zu erwähnen, der hier in hundertfünfzig Jahren gewirkt hat. Wir sollten aber im Hinterkopf behalten, dass die Genannten für unzählige Andere stehen, ohne die diese Geschichte nicht möglich gewesen wäre.

April 1869 in Husum – sechs Jahre nachdem Ferdinand Lassalle im Mai 1863 in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gründete, unternahm ein Schneidergeselle namens Hermann Kühn den Versuch in Husum eine Ortsgruppe des ADAV ins Leben zu rufen. Die Genossen hatten es in Husum nicht leicht. War Husum doch keine Stadt mit Fabriken mit vielen Arbeitern. Der größte Betrieb war damals wohl die Husumer Bierbrauerei, die etwa 20 Menschen beschäftigte. So waren es also in Husum zunächst die freien Handwerker, die versuchten die lasalleanischen Ideen zu verbreiten. Doch das war gar nicht so leicht. Die Genossen galten als „vaterlandslose Gesellen“ und wurden vom Bürgertum misstrauisch beäugt und verachtet. Auch der königlichen Regierung zu Schleswig war die Bewegung ein Dorn im Auge, Versammlungen waren anzumelden und konnten nur unter polizeilicher Beobachtung durchgeführt werden. Über die Versammlungen waren der königlichen Regierung innerhalb von acht Tagen Bericht zu erstatten. In der Amtszeit von Emanuel Gurlitt als Husumer Bürgermeister observierte dieser eine Reihe von Versammlungen in der Husumer Centralhalle höchstpersönlich, unermüdlich auf der Suche nach Gründen diese Versammlungen aufzulösen, um dann über seine Erfolge diesbezüglich Bericht an die Regierung zu erstatten. Den Aufforderungen, die Versammlungen zu beenden, leisteten die Genossen zwar Folge, nicht ohne aber die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen, noch einmal lautstark die Arbeitermarseillaise zum Besten zu geben. Auch heute sind wir hier im Beisein des Bürgermeisters versammelt. Aber lieber Uwe, ich kann dich beruhigen, wir werden heute nicht singen. Das tun später andere und die haben auch anderes Liedgut im Repertoire. Außerdem bin ich guter Hoffnung, dass der Bürgermeister unsere Versammlung heute nicht auflösen wird.

Wie schwer das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie von 1878 es der Arbeiterbewegung auch machte, die Idee als solche war nicht aufzuhalten.  Bismarcks Sozialgesetzgebung Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts wäre nicht ohne den Druck der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung denkbar gewesen.

Die erste sozialdemokratische Repräsentation im Stadtparlament gab es erst im Jahr 1912, als der Schneidermeister Fritz Klußmann überraschend gewählt wurde.

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte die SPD im Reichstagswahlkreis 4 381 Mitglieder. 83 von ihnen waren Frauen. Die SPD war die einzige Partei, die sich im Reichstag schon 1895 für das Wahlrecht von Frauen eingesetzt hatte.

Es sollte noch bis 1918 dauern, bis auch Frauen wählen und gewählt werden durften. Am 19. Februar 1919 sprach zum ersten Mal eine Sozialdemokratin in der Weimarer Nationalversammlung. Knapp einen Monat später zur Stadtverordnetenwahl im März 1919 zieht erstmals eine Frau für die SPD in das Stadtparlament in Husum ein. Dies war Christine Petersen.

Schicksalsjahr 1919, Geburtsstunde der ersten Demokratie in Deutschland. Die junge Demokratie hat es nicht leicht, muss sich gegen fortwährende Angriffe von links und rechts zur Wehr setzen. In Husum gründet sich eine Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz – Rot – Gold.

Vorsitzende des Reichsbanners waren der Maurer Fritz Carstens und der SAJ (Sozialistische Arbeiter Jugend) Vorsitzende Walter Lurgenstein, beide Sozialdemokraten. Das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold macht mit vielen Veranstaltungen in Husum auf die Gefahr von rechts aufmerksam.

Trotz unermüdlichem Einsatz für den Erhalt der jungen Demokratie endet sie am 30. Januar 1933.  Als am 27. Februar 1933 der Reichstag brennt, gibt es kurz danach Gerüchte, der Brandstifter hätte Kontakt zu Sozialdemokraten gehabt. Am 23. März 1933 beschließt der Reichstag das sogenannte Ermächtigungsgesetz. Die anwesenden Sozialdemokraten stimmen geschlossen dagegen und sind damit die einzigen, die den Mut haben dem kommenden Regime die Stirn zu bieten. Unvergessen ist die letzte freie Rede von Otto Wels: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Er sollte Recht behalten.  Sehr vielen Sozialdemokraten wird in den kommenden 12 Jahren die Freiheit genommen, vielen auch das Leben.  Doch wie haben die Husumer Genossen das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte erlebt? Darüber wissen wir nur wenig, aber was wir wissen ist folgendes: Im Vorfeld zu den Kommunalwahlen am 12. März 1933 werden die Sozialdemokraten im Wahlkampf massiv behindert. Es gab ein Presseverbot, so dass man ausschließlich auf Mund zu Mund Propaganda angewiesen war. Trotzdem gelingt es, drei Mandate in Husum zu erringen. Ihr Mandat ausüben, das können die drei SPD Vertreter nicht. Nachdem ihnen auf der Sitzung des Stadtparlaments am 11.4.1933 von Seiten der NSDAP Vertreter offen gedroht wird, legen sie ihre Mandate nieder.  Schon am Tag nach Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes waren beim Ortsvereinsvorsitzenden Meinhard Albrecht in der Rosenstraße und bei Walter Lurgenstein Hausdurchsuchungen vorgenommen worden, beide werden anschließend in Schutzhaft genommen. 1944 kommt es zu weiteren Verhaftungen unter den Husumer Genossen. Christine Petersen entkommt dem Transport ins KZ nur weil der Transportzug unter Tieffliegerbeschuß gerät und zurück nach Kiel fährt.  Kurz nach dem Attentat des 20. Juli 1944 wird der Fischer Mathias Jacobsen verhaftet und ins KZ Neuengamme gebracht. Sein Sohn wendet sich in einem Brief an Heinrich Himmler persönlich, bittet um die Freilassung des Vaters und lässt sich selbst an die Front versetzen. Daraufhin wird Mathias Jacobsen am 26. September wieder freigelassen. Auch Meinhard Albrecht wird 1944 wieder verhaftet und muss den Gang ins KZ antreten.

Nach dem 2. Weltkrieg setzt die SPD in Husum ihre Arbeit dort fort, wo sie 1933 geendet hatte. Nachdem per Verordnung vom 15. September die Neugründung von Parteien wieder erlaubt war, bildet sich ein neuer SPD- Ortsverein. Meinhard Albrecht wird zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt, Fritz Carstens wird stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender. Im Januar 1946 kommt das von den Briten ernannte Stadtparlament im Thomas Hotel erstmals zusammen. Es sind sieben Sozialdemokraten unter den Stadtverordneten, unter ihnen Meinhard Albrecht, Walter Lurgenstein, Fritz Carstens und Fritz Lorenzen. Die Einwohnerzahlen Husums hatten sich nach Kriegsende durch den Zuzug von Flüchtlingen fast verdoppelt. Wohnraum für alle zu finden, war eine enorme Herausforderung. Die britische Besatzungsmacht ernennt Fritz Carstens zum Bausenator. Der vorhandene Wohnraum musste möglichst gerecht auf alle verteilt werden, gleiches galt für Konsumgüter, Baumaterialien und Brennstoff. Es galt zunächst den Mangel zu verwalten. Dies änderte sich erst mit der Währungsreform. 1950 entsteht mit dem Generalbebauungsplan eine erste bewusste Städteplanung. Wohngenossenschaften bauen neue Wohnsiedlungen, es entstehen neue Stadtteile. Innerhalb von 14 Jahren entstehen 3000 neue Wohnungen.

An dieser Stelle will ich meinen Rückblick über die Entwicklung des Ortsvereins schließen. Natürlich könnte man noch so manches berichten, aber Hundertfünfzig Jahre lassen sich nicht in zehn Minuten erzählen. SPD Vertreter haben 150 Jahre lang die Geschicke dieser Stadt konstruktiv begleitet und ihren Beitrag dazu geleistet, dass Husum heute das ist, was es ist, eine bunte, tolerante, lebendige Stadt, kurz: eine Stadt, in der man gerne lebt.

Die SPD hat in ihrer Geschichte viele Krisen erlebt und überlebt.  Und ich glaube, die SPD kann- auch hier in Husum- mit Fug und Recht behaupten ein Stück Geschichte geschrieben zu haben, ohne und das müssen wir noch einmal betonen, ohne selbst Geschichte zu sein. Und das wollen wir jetzt ausgiebig feiern.

Festrede gehalten von Susanne Rignanese aus Anlaß des 150- jährigen Bestehens des SPD Ortsvereins Husum auf der Jubiläumsveranstaltung am 10.8.2019