Warum dieser Rückblick wichtig ist? Weil er die Geschwindigkeit, mit der gesellschaftlicher Wandel manchmal stattfindet, deutlich macht. Das Unwort des Jahres scheint hier ein guter Indikator: war es 2010 noch Angela Merkels „alternativlos“, kamen in den folgenden Jahren nur noch Begriffe der Rechtspopulisten auf: 2013 war es der „Sozialtourismus“, 2014 die „Lügenpresse“, 2015 der „Gutmensch“, 2016 der Begriff „Volksvertreter“, 2017 „alternative Fakten“ und in 2018 war es die „Anti-Abschiebe-Industrie“. Diese Begriffe eint, dass sie Schöpfungen von Rechtspopulisten sind. Bezeichnenderweise sind sie nicht nur von der AfD, „alternative Fakten“ ist etwa ein Begriff, den US-Präsident Donald Trump prägte. Man kann von einer „Internationale der Rechtspopulisten“ sprechen, denn die Methoden sind überall dieselben, egal ob in Amerika oder Europa.
Das zeigt aber auch, dass die Gesellschaft mittlerweile wieder Themen auf der Agenda hat, die eigentlich nicht mehr zur Diskussion standen, etwa die Unabhängigkeit der Presse („Lügenpresse“) oder das ehrenamtliche Engagement für andere („Gutmensch“). Man könnte auch sagen, die Rechten vergiften das gesellschaftliche Zusammenleben für ihren eigenen Vorteil. Denn die AfD und ihre Verbündeten in ganz Europa wollen zurück in eine Zeit, in der die Nationalstaaten auf sich allein gestellt waren, es keinen Sozialstaat gab, Andersdenkende verfolgt wurden und Schwache hintenüber fielen.
Die europäische Idee hat in den vergangenen Jahrzehnten seit dem Krieg mehr Wohlstand und Frieden geschaffen, als irgendein Projekt sonst auf der Welt. Und doch sieht sie sich ihrer größten Bedrohung ausgesetzt, weil wenige Radikale von einer Verschwörung der Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft fabulieren und mit Dreck auf dieses Projekt werfen, bis etwas hängen bleibt. Sie sehen sich als alleinige Vertreter und parlamentarische Vorkämpfer einer neuen Rechten, die sich aufmacht, unseren Kontinent nach ihren Vorstellungen zu formen. Das können und das werden wir als Sozialdemokrat*innen nicht zulassen! Denn die SPD stand schon früher und steht bis heute gegen jede Ausgrenzung, nationale Alleingänge und das Ausspielen Schwacher gegen noch Schwächere, wenn die AfD etwa Obdachlose stärker unterstützen will und im selben Atemzug findet, es werde zuviel für Geflüchtete getan, aber zu wenig für „die eigenen Leute“.
Jetzt bedroht der Brexit, der Ausstieg Großbritanniens, die Einigkeit der Europäischen Union. Doch erneut schlägt hier die Ironie zu: Die Nationalisten in UKIP und Tory-Partei, die ihr Land für das großartigste der Welt halten, haben es in eine tiefe Spaltung geführt mit ihrem Größenwahn. Und so zeigt sich überall, wo Nationalisten und Rechtspopulisten regieren, dass sie nur Spaltung, Abschottung und schrumpfenden Wohlstand hervorbringen können. Die Europäische Union war immer ein Projekt der Zukunft, das den Menschen Hoffnung und eine Perspektive geben sollte. Vielleicht erzeugt der Austritt Großbritanniens und das daraus erfolgte Zusammenrücken der anderen Länder eine Rückbesinnung auf diese Werte. Helfen wir dabei und bekommen wir den #Morshoch. Wir Sozialdemokraten haben 70 Jahre lang mitgeholfen, die EU aufzubauen, da lassen wir sie uns nicht von den Rechten in 10 Jahren oder weniger zerstören.